Gestaltungsfunktionen

Gestaltungsfunktionen

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den gestalterischen Funktionen (auch Darstellungsfunktionen genannt) der formale Grundelemente.

Mit den gestalterischen Funktionen kann in der Kunst, Architektur und im Design gezielt jongliert werden, wobei zu Beginn lediglich die Entwurfsabsicht geklärt werden muss, wodurch die Gestaltungsfunktionen offensichtlich werden. Umgekehrt kann so in der Gestaltungsanalyse durch die Untersuchung der Gestaltungsfunktionen rückwirkend die gestalterische Absicht eruiert werden. So lassen sich folgende Fragen beantworten: Mit welchen Farben soll ich malen? Wie soll ich diesen Gegenstand formen? Welche Absicht lässt sich hinter der Lichtgebung dieser Fotografie eruieren? Warum hat die Künstlerin diese Zeichnung so schraffiert? etc.

Vincent van Gogh - The Harvest (for Émile Bernard) - Google Art Project.jpg The Scream.jpg Vassily Kandinsky, 1923 - Mild tension.jpg
Die Ernte (für Émile Bernard) von Vincent van Gogh. Unter anderem wird hier mit einer Erscheinungstextur Nahes und Fernes erzeugt (Wikimedia Commons) Der Schrei von Edvard Munch. Die Mimesisfunktion der Farbe und Form tritt zugunsten der Wirkfunktion zurück (Wikimedia Commons) Mild tension von Wassily Kandinsky. Die Wirk- und absolute Funktion von Farbe, Form oder Bildraum haben die Mimesis- und Bezeichnungsfunktion komplett abgelöst (Wikimedia Commons)

Die gestalterischen Mittel im Bann der Funktionen

Die gestalterischen Mittel wie Farbe, Form, Textur, Perspektive, Licht oder Komposition können in einem Werk verschieden eingesetzt werden. So können diese zum Beispiel zur Nachahmung der Wirklichkeit verwendet (1. Nachahmung/ Mimesisfunktion), zur Bezeichnung der Gegenstandswelt (2. Bedeutungsfunktion) oder zur Wirkung auf den Betrachter eingesetzt werden (3. Wirkfunktion). Ebenfalls können die bildnerischen Mittel als Hilfe im Gestaltungsprozess benutzt werden sowie den Betrachter bei der Rezeption des Bildes unterstützen (4. Hilfsfunktion). Und in einer weiteren Funktion verweisen die bildnerischen Mittel auf sich selbst (5. absolute Funktion).

    Am Beispiel Farbe   Am Beispiel Textur
1.Nachahmung (Mimesis)   Materialfarbe (sozusagen die gescannte Farbe)

Lokalfarbe (Materialfarbe mit lokaler Lichtgebung, Spitzlicht, Eigenschatten)

Erscheinungsfarbe (Materialfarbe oder Lokalfarbe in atmosphärischer Adaption)

Raumfarbe (ohne Materialbezug gewählte Farbe, die den Raum modellieren, etwa mit Hell-Dunkel oder Kalt-Warm)

  Materialtextur (die immitierte Materialoberfläche)

Lokaltextur (Materialtextur mit lokaler Verzerrung)

Erscheinungstextur (Variation der Materialtextur um Distanz zu erzeugen)

Raumtextur (ohne Materialbezug gewählte Textur, die den Raum modelliert)

2.Bedeutung (Diegesis)   Gegenstandsfarbe (stilisierte Materialfarbe zur Identifikation eines Gegenstands, z.B. kann Rot einen Apfel denotieren)

Symbolfarbe (symbolisch geprägte Farbe, z.B. kann Rot in der westlichen Welt im 20. Jh. den Kommunismus konnotieren)

Trennfarbe (zur Trennung von Gegenständen, Flächen oder Bereiche, auch z.B in Bildlegenden)

  Gegenstandstextur (stilisierte Materialoberfläche zur Identifikation des Gegenstandes, z.B. horizontal wellenförmige Schraffur denotiert Wasser)

Symboltextur (die Textur beinhaltet Elemente, die über das Denotat auf ein Konnotat verweist, z.B. wellenförmige Schraffur konnotiert Leben)

Trenntextur (Flächen trennen, Bildlegende)

3.Wirkung   physiologische Wirkfarbe (Wirkfarbe zur physiologischen Beeinträchtigung: z.B. verstärkt ein Violett mit dem Effekt des Simultankontrasts eine naheliegende gelbe Fläche)

psychologische Wirkfarbe (Wirkfarbe zur psychischen Beeinträchtigung: z.B. kühlt und erweitert eine blaue Fläche einen Raum)

  physiologische Wirktextur (Wirktextur erzeugt Bewegung oder ein flimmern in den Augen)

psychologische Wirktextur (Wirktextur erzeugt sinnliche Erlebnisse wie rau, warm, leicht, windig…)

4.Unterstützung   Hilfsfarbe (z.B. kann eine Grundierung als Ausgangslage und Referenz für weitere Farben dienen)   Hilfstextur (z.B. eine Textur zur Korrektur indem eine Fläche mit Fehlern „zuschraffiert“ wird)
5.Selbstreferenz   Die Farbe stellt nur sich selbst dar (z.B. Malewitschs „Schwarzes Quadrat“)   Die Textur stellt nur sich selbst dar (z.B. Texturen in einem Lehrmittel zur Darstellung der Textureigenschaften)

Quelle/Links

TS (2014): Erweiterung der Farbfunktionen zu Darstellungsfunktionen. In: Forschungsstelle theoria.


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