Stehende Figur und Identität: Mit einer stehende Figur in einer bestimmten Körperhaltung und Kleidung lässt sich bereits viel erzählen. Die stehende Figur wird nie langweilig und kommt unter anderem in der Werbung, in Erzählungen, in der Politik, in Games und nicht zuletzt in den Familienalben vor. Doch wie lässt sich eine stehende Figur gestalten und was sagt diese aus?
Ziele und Kompetenzen
- Stehende Posen/Körperhaltungen in Variationen reflektiert rezipieren und kontrolliert darstellen können
- Fokus auf Proportionen, Haltung, Ausdruck, Strichführung, …
- Schnittstellen zu anderen Disziplinen kennen: Werbung, Mode, Film, …
Theorie und Geschichte
- Schemen zu Körperproportionen von stehenden Figuren besprechen
- Geschichte der figürlichen Darstellung in griechischen Archaik und Klassik mit Fokus auf Kontrapost und Ponderation
- Anordnung am Horizont
Übungen
- Einstieg Vitruvianischer Mensch 2.0 – Da Vinci’s Visualisierung vom Vitruvianischen Menschen als Inspiration nehmen und selbst ein Schema entwickeln. Dazu in Gruppenarbeit auf grossem Papier direkt auf dem Boden (oder an grosser Wandtafel) arbeiten. Die Silhouetten verschiedener Körperhaltungen übereinander mit einem sichtbaren Strich festhalten. Dann geschickt einfache geometrische Formen darüber zeichnen und so ein eigenes Hilfsschema für das figürliche Zeichnen entwickeln.
- Stehende Figur nach Anschauung: Bleistift auf 4A-Papier in Hochformat (ganzes Format nutzen), Kartonunterlage, Klappstuhl, z.B. 3er bis 5er-Gruppen bilden, abwechselnd steht jemand ca. 15 min Modell (z.B. mit geheimnisvollem Umhang, wartend mit Mantel und Brille, schauend mit Reisekoffer und Sonnenhut, putzend mit Besen, …), aus verschiedenen Richtungen in ca. drei Meter Abstand rund um die Figur platzieren und abzeichnen, Fokus auf Proportionen, Richtungen, Körperhaltung, zuerst ohne Vorgaben, danach mit Hilfestellungen der Lehrperson in der Klasse und individuellen Feedbacks (Beispiele für Tipps: nicht zu klein arbeiten, zuerst grob die Gesamtform erfassen, mit feinen Hilfslinien Raum und Körper abschätzen, vernetzen und Zeichnung aufbauen, Bleistift als Messinstrument nutzen, Leerräume beachten etc.)
- Akademisches Studienblatt – Stehende Figuren aus klassischen Zeichendossiers in verschiedenen Ansichten (frontal, im Profil, Halbprofil, verlorenem Profil) und verschiedenen Positionen (schulterbreit, Kontrapost, winkend) abzeichnen (weicher Bleistift auf A3). Schwierigkeitsgrad anpassen und fortlaufend steigern bis frei arbeiten. Klassischer Aufbau:
- 1 – Mit feinen Linien ein Raster Zeichen (Senkrechte, Fusssohlen- und Scheitellinie, Strecke achteln, evtl. in Doppelspalte kleine Quadrate)
- 2 – Ebenfalls mit feinen Linien die Volumenlemente platzieren
- 3 – Figur mit Körperlinien ausformulieren und plastisch modellieren
- Durch Training kann bald auf das Raster verzichtet und sogar ohne Vorlage frei und virtuos aus aus der Vorstellung gezeichnet werden
- Kontrapost-Figur mit Plastilin: Entwicklung einer handhohen Figur aus Plastilin auf einem kleinen Holzstativ. Plastilin handwarm aufkneten und Figur aus einem Stück mit verschieben, abziehen und anfügen von Material entwickeln, Armierung vom Holzstativ unsichtbar einbinden, natürliche Kontrapost-Körperhaltung mit glaubwürdigen Proportionen, Figur im Anschluss aus den klassischen Ansichten fotografieren (Normalperspektive frontal, Halbprofil, Profil, verlorenes Halbprofil), Fotos sammeln und Arbeit begutachten.
- Performance 1 – Wirkung von Körperhaltung erforschen: Die Klasse nimmt gemeinsam verschiedene Posen ein. Jede Pose wird einige Sekunden gehalten. Wie fühlt sich das an? Beispielsweise folgende Posen:
- Beine überkreuzen, Hände hinter den Rücken, leicht schwanken
- Schulterbreit stehen, Arme überkreuzen, Stirn nach vorne schieben
- Arme hängen lassen, Kopf seitlich kippen, Augen schauen zur Decke
- Hände offen seitlich, Brust geöffnet, Blick freundlich nach vorne
- Gewicht auf einem Bein, Hände in den Taschen, leicht zurückgelehnt
- Hände in die Hüften, Stand breit, Kinn leicht vor
(unsicher, nervös) – (stark, abweisend) – (träumerisch, gelangweilt) – (offen, einladend) – (lässig, distanziert) – (dominant, selbstsicher)
- Performance 2 – Figuren durch Körpersprache darstellen: Die Lehrperson gibt eine Figur vor. Jede Gruppe wählt eine Person, die in der Mitte steht und die Figur nicht kennt. Die übrigen Gruppenmitglieder formen diese Person durch präzise Haltungsanweisungen in die Figur. Zum Schluss versucht die Person, die Figur anhand ihrer Körperhaltung zu erraten.
- BoxerIn (Fäuste erhoben, geduckte Haltung, Gewicht auf den Zehen)
- Die Alte/ der Greis (gebückte Haltung, zitternde Hände, langsame Bewegung, Blick nach unten)
- Hero (breiter Stand, Hände in die Hüften, Brust raus, Blick in die Ferne)
- Rockstar (Beine breit, Oberkörper leicht nach vorne, eine Hand wie an einem Mikrofon, andere zum Publikum ausgestreckt)
- BodybuilderIn (angespannte Muskeln, breite Brust, leicht nach vorne gebeugt, Arme wie zum Posen angewinkelt)
- DetektivIn (nach vorne gebeugt, eine Hand wie eine Lupe, Kopf leicht schräg, als ob er eine Spur verfolgt)
- Ballerina (gerade Haltung, ausgestreckte Arme, ein Bein leicht abgehoben, viel Eleganz)
- Clown (übertriebene Gesten, Arme weit ausgebreitet, evtl. wacklige Knie, übertriebenes Grinsen)
- Der ComputerspielerIn (leicht nach vorne gebeugt, Hände vor sich wie am Controller, angespannte Konzentration im Gesicht)
…diskutiere nun diese Übung kritisch (…Stereotypen, Vorurteile, …)
- Stehende Figuren aus der Vorstellung zeichnerisch mit dem erlernten Aufbau selbst entwickeln, kreativ variieren und ausformulieren bis die Figur einen erkennbaren Charakter erhält (Variation von Ansicht, Proportionen, Körperhaltung, Körpersprache mit Gestik, Zustand, Kleidung, Attribute, …)
- Rund um die Figur (Kurzanimation für Fortgeschritten): Eine stehende Figur in Kontrapost oder anderer Haltung aus der Vorstellung in mindestens acht Ansichten 360° zeichnen (d.h. mind. frontal, Halbprofil rechts, Profil rechts, verlorenes Profil rechts, Rückenansicht etc. Oder sogar mit ¾ Profil, ¼ Profil etc). Je nach Tempo mit oder ohne Kleider (auch bei Kleidung Unterzeichnung immer mit Figur, danach Technik mit der Schleife), Stop Motion App auf Smartphone installieren, neues Projekt im Hochformat, Deckungsgleichheit mit Zwiebelschalenansicht kontrollieren, durchfotografieren und im Loop ablaufen lassen
Aufträge
- Auftrag: Was für ein Gedränge? Wofür stehen all diese Menschen an? Figürlich Zeichnen mit Bleistift auf A3 ohne Zeichenhilfen aus der Vorstellung und folgenden Kriterien:
- Verschiedenste Figuren in Proportion, Form und Ansicht korrekt und variantenreich zeichnen
- Virtuose aufbauende und raumbildende Strichführung sowie Perspektive (Figur am Horizont)
- Mit Körperhaltung, Interaktion und gut visualisierter Kleidung ausdrucksstark erzählen können
- B/M für Einhaltung der Vorgaben und Unerwartetes
- M e i n e – Schule von Athen! (Fluchtpunktperspektive und Figur)
- Siehe auch weitere Aufträge aus dem Modul: Mode, Fiktion und Identität wie der Auftrag Modedesign für einen SciFi-Charakter
Weiterführende Links
- Modulüberblick Figürlich – Menschen, Tiere und Wesen
- Weiterführendes Modul: Körperhaltung, Körpersprache, Bildsprache
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