Gestaltung ist mehr als ein schönes Bild oder ein fertiges Produkt – sie ist ein bewusstes oder unbewusstes Handeln im Kontext. Wer gestaltet, trifft Entscheidungen: für bestimmte Inhalte, Mittel, Methoden, Zielgruppen und Wirkungen. Eine Frage nach dem Kontext der Gestaltung kann die Rezeption bestehender Werke oder das eigenen kreativen Handeln stärken.
Ein Modell für die Rezeption und Produktion
Um gestalterische Prozesse differenziert zu betrachten, hilft die Gestaltungsfrage. Sie lautet in ihrer Kurzform: Wer gestaltet weshalb was wie?
Oder in ihrer ganzen Form ausformuliert: Wer gestaltet im Auftrag von wem für wen – wann und wo – warum, wozu und wofür – was, womit und wie – mit welcher Wirkung?
Die Gestaltungsfrage macht sichtbar, dass Gestaltung nie isoliert geschieht. Sie ist eingebettet in soziale, kulturelle, materielle und zeitliche Zusammenhänge. Im Folgenden wird die Gestaltungsfrage Schritt für Schritt aufgeschlüsselt:
- Wer gestaltet? → Die gestaltende Person oder das gestaltende Team
- Im Auftrag von wem? → Die Auftraggeberschaft
- Für wen? → Das primäre Zielpublikum und die Nutzniesser
- Wann und wo? → Zeitliche, räumliche und gesellschaftliche Bedingungen
- Weshalb? → Warum fragt nach Ursache und Absicht (causa efficiens), Wozu nach dem Ziel (causa finalis), Wofür nach dem Zweck (Werkfunktion)
- Was wird gestaltet? → Inhalt, Thema oder Gegenstand der Gestaltung
- Womit und wie? → Medium/ Material, Vorgehen und gestalterische Mittel
- Mit welcher Wirkung? → Die Wirkung auf Akteure und Kontext
Ein Beispiel aus der Kunst
Ein einfaches Beispiel liefert Banksy, der britische Street-Art-Künstler:
- Wer gestaltet? – Banksy, anonym
- Im Auftrag von wem? – Keine offizielle Institution
- Für wen? – Die breite Öffentlichkeit, teils (vermeintliche) Adressaten
- Wann und wo? – Zeitgenössisch, meist im öffentlicher Raum
- Weshalb? – Aufmerksamkeit erzeugen, Kritik, Provokation
- Was? – Gesellschaftskritische oft surreale Motive
- Womit und wie? – Wandbilder, Spraydose, Schablone, prägnante Farben und Formen, plakativ stilisiert, spontan, illegal
- Mit welcher Wirkung? – Bekanntheit, neue Sichtweisen, mediale Diskussion, Nachahmung, Kommerzialisierung
Bereits an diesem allgemeinen Beispiel ohne konkretem Werk zeigt sich, wie vielschichtig und wirksam gestalterisches Handeln sein kann – selbst wenn es ausserhalb traditioneller Kunstinstitutionen stattfindet.
Anwendung im Unterricht
Die Gestaltungsfrage lässt sich vielseitig einsetzen:
- zur Reflexion eigener gestalterischer Entscheidungen,
- zur Analyse von Werken in Kunst, Design oder Medien,
- zur Diskussion über Absichten, Kontexte und Wirkung von Gestaltung.
Sie hilft dabei, Gestaltung als komplexe Handlung im Kontext zu verstehen – mit Akteuren, Mitteln, Zielen, Bedingungen und Wirkungen. Ob im Entwurf, im Rückblick auf ein Projekt oder beim Betrachten fremder Arbeiten fördert sie bewusstes, verantwortungsvolles und reflektiertes Gestalten.
Quelle: TS, Die Gestatlungsfrage, 2024
Beitragsbild: Bildausschnitt aus Allegorie der Malerei (Selbstportrait), 1630, Gentileschi (gemeinfrei via wm)
Banksy-Beispiel KI-gestützt exemplifiziert (ChatGPT, OpenAI, 2025)