Bildwahrnehmung und Bildsprache

In Bildern zu denken haben wir von Kindsbeinen an gelernt. Dies geschieht jedoch grossteils unbewusst und basiert meist auf realen Erlebnissen. Zum Beispiel erinnert uns eine Diagonale an etwas, das gerade umfällt, während wir bei einer Senkrechten oder gar Horizontalen eher an etwas Stehendes oder Liegendes denken. Somit nehmen wir eine Horizontale statischer wahr als eine Diagonale. Bevor wir jedoch auf diese Bildgrammatik eingehen, also auf die Anordnung von Bildelementen und deren Folgen, möchten wir hier noch auf zwei Prinzipien hinweisen, welche die Wahrnehmung des Menschen bestimmen. Die Wahrnehmung des Menschen sucht erstens nach einer visuellen Ordnung (1.)  und zweitens nach Raumtiefe (2.). Das heisst:

 

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1. Wenn wir ein Bild wahrnehmen, schaffen wir unwillkürlich Ordnung. Verbundenes, Nahes oder Ähnliches fassen wir zusammen. In diesem Beispiel entstehen so durch das Gesetz der Ähnlichkeit aus den zwölf Elementen zwei Gruppen. (siehe weitere Gestaltgesetze)   15

  

2. Ausserdem versuchen wir das eigentlich flache Bild als dreidimensionalen Raum zu lesen (von Figur und Grund über Vorder-, Mittel-, Hintergrund bis zu komplexe ineinandergreifende Raumkonzepte). In diesem Beispiel entsteht die Raumtiefe mittels Grössenabstufung, unterschiedlicher Anordnung in der Bildhöhe und Überdeckung. (siehe weitere perspektivische Merkmale)

 

Formale Gestaltungsprinzipien, die Grammatik der Bildsprache

Im Folgenden werden nun einige formale Gestaltungsprinzipien und Hinweise dargelegt. Diese lassen sich in verschiedenen gestalterischen Bereichen anwenden, wie unter anderem im Layout des Grafikdesigns, in der Bildkomposition einer Zeichnung oder bei der Inszenierung mit Fotografie.

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Ein Querformat wirkt ruhig, gesetzt und eher passiv.

  12   Das Hochformat wirkt aktiver, dynamischer.
             
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Symmetrie wirkt ausgewogen, monumental, ev. langweilig; Der Punkt ist statisch, wie festgemacht.   2punkt

  

Asymmetrie bewirkt Spannung, deutet auf Bewegung.
             
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Waagrechte und Senkrechte bringen Ruhe und wirken flächig.

  3   Diagonalen und andere Schrägen wirken dynamischer und können auch auf Raumtiefe verweisen.
             
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Regelmässige Anordnungen oder Reihen erzeugen Rythmus und Distanz.

  5   Überlagerungen bewirken Dichte, Spannung, Gewicht; sie wirken tendentiell organischer und lebendiger als eine regelmässige Anordnung.
             
7   Eine Bewegung oder Anordnung von links unten nach rechts oben wird in der westlichen Welt positiv konnotiert. Zudem weist der Blick oder eine Bewegung nach rechts eher in die Zukunft!   8   Von rechts oben nach links unten wird hingegen negativ konnotiert. Rechts nach links weist tendentiell in die Vergangenheit.
             
13   Die optische Mitte liegt über der mathematischen Mitte. Mittig ausgerichtete Bildkompositionen wirken monumental aber auch monoton.   9   Um dies zu verhindern, können prägnante Elemente wie Horizont oder Gesicht in den goldenen Schnitt gesetzt werden; dies wirkt harmonisch, ausgewogen und trotzdem nicht langweilig.
             
11   Zur Gestaltung der Komposition muss insbesondere der Bildrand berücksichtig werden. Personen oder Dinge können angeschnitten werden, was den Bildraum über die Bildfläche hinaus erweitert sowie ein "Eintauchen" in die dreidimensionale Welt des Bildes erleichtert (Bildimmersion).   11   Auch der Zwischenraum - im Grafikdesign oft als Weissraum bezeichnet - ist für die Bildkomposition ein wichtiges Gestaltungselement und spielt bei der Bildordnung eine wesentliche Rolle: Viele Zwischenreäume wirken unruhig, wenig wirken ruhig.