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Welche Typen von Bildmanipulation gibt es? Was heisst es, ein Foto zu manipulieren? Kommunikation? Täuschungsabsicht? Warum ist die Manipulation von Fotografien so gefährlich?

Typen der Fotomanipulation

Manipulation der Bildquelle

  1. Selbstinszenierung der Abgebildeten
  2. Inszenierung Dritter wie Berater, Choreografen, Strategen
  3. Inszenierung durch den Fotografen und seinen Assistenten (Wahl von Sujet, Ausschnitt, Perspektive, Licht, Moment)

Manipulation des Bildgegenstandes

  1. Retusche (Löschen von Motiven, Kratzer etc.)
  2. Montage (Neuanordnung von vorhandenen Bildelementen, Einfügen von Motiven, Kombination von Fotos, Einbinden von virtuellen Elementen etc.)
  3. Formveränderung (neuer Bildausschnitt, Freistellen, Rotation, Dehnen oder Stauchen)
  4. Farbveränderung (globale oder partielle Veränderung von Farbton, Helligkeit, Sättigung und deren Kontrast)
  5. Einbinden von grafischen Elementen (Pfeile, Kreislinien, Zensurbalken, Bildrahmung etc.)

Manipulation des Bildkontextes 

  1. Text/Bildschere (Bildunterschrift, Bilderklärung, Credits wie Namensnennung des Fotografen, Quellenhinweis etc.)
  2. Bildkontext (Bildserien, Bildkonstellation wie Bild in Bild, Oben-Unten etc.)
  3. Publikationskontext (Wo wird das Bild publiziert?)
  4. Rezeptionskontext (Wem wird das Bild wann gezeigt?)

 

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Erste Version: Lenin spricht am 5. Mai 1920 vor dem Bolschoi-Theater (public domain) Die spätere Version zeigt eine Manipulation mit Täuschungsabsicht: Trotzky und Kamenew wurden wegretuschiert (public domain)

 

Fotomanipulation ist nicht gleich Täuschungsabsicht 

Der Begriff Bildmanipulation wird von Laien oft mit einer Täuschungsabsicht verbunden. Somit ist der Begriff negativ geprägt.

Selbstverständlich geschieht eine Täuschungsabsicht durch Fotografien mittels deren Manipulation. D.h. aber nicht, dass jede Fotomanipulation eine Täuschungsabsicht beinhaltet. Wie ist das zu verstehen?

Manipulation bedeutet im Grunde nichts anderes als eine Handhabung. Als "Foto"-manipulation versteht sich deshalb streng genommen (lediglich) die Einflussnahme auf die Fotografie, was im Übrigen gleich zu setzen ist mit der Fotogestaltung. Die oben aufgelistete Typen der Fotomanipulation sind somit Aspekte der Fotogestaltung.

Hingegen ist eine Täuschungsabsicht eine bewusste Irreführung eines Menschen - nicht nur die Einflussnahme auf die Fotografie. Allerdings wird die Täuschungsabsicht unter anderem mittels der Fotografie vorgenommen, genau genommen durch die oben genannten Typen.

Fotomanipulation ist Kommunikation 

Durch die Gestaltung von Bildern werden mehr oder weniger bewusst Bildinformationen erstellt. Man könnte auch sagen: Durch die Bildmanipulation werden vom Bildproduzenten Informationen kodiert. Diese gelangen dann über das Medium Fotografie an den Bildrezipienten und werden bei einer erfolgreichen Kommunikation korrekt dekodiert.

Insbesondere professionellen Fotografen und Bildredaktoren beherrschen den Akt der Bildgestaltung bzw. Bildmanipulation. Sie kodieren bewusst und kontrolliert. Auch Laien, die in der Umganssprache sowie in der Wissenschaft liebevoll als Knipser bezeichnet werden, kodieren Informationen - allerdings eher unbewusst.

Dabei ist es nicht möglich, eine Fotografie zu erstellen, ohne Informationen zu erzeugen. Eine Handhabung der Fotografie findet unabdinglich statt - so kann z.B. nicht kein Bildausschnitt gewählt werden. Dies ist vergleichbar, mit dem ersten pragmatischen Axiom von Paul Watzlawick: Man kann nicht nicht kommunizieren. Für das Erzeugen einer Fotografie ist dieses Axiom folgendermassen abzuleiten: Man kann eine Fotografie nicht nicht manipulieren.

Wieso ist Bildmanipulation so gefährlich? 

Zwei wesentlich Gründe lassen sich unter anderem zu dieser Frage festhalten.

Erstens: Bilder eignen sich besonders zur Manipulation, weil sie mit dem Gestus des Faktischen auftreten (Sachs-Hombach). Insbesondere Fotografien haben wegen ihrer Ähnlichkeit zur Realität eine hohe Glaubwürdigkeit. "Ich habe es wirklich gesehen", könnte man beim Betrachten einer Fotografie jeweils meinen. Wirklich? Ja, aber die Wirklichkeit der Fotografie und nicht der Realität. Und die fotografische Wirklichkeit unterscheidet sich von der realen Wirklichkeit, was insbesondere bei einem naiven Bildzugang nicht wahrgenommen wird.

Zweitens: Wenn man nun wieder das Kommunikationsmodell Sender-Medium-Empfänger von Stuart Hall herbeizieht, lässt sich klären, wo sich eine weitere Gefahr verbirgt. Fehlt es nun beim Empfänger an Bildkompetenz, ist es ihm nicht möglich, die Bildinformation korrekt zu dekodieren. So können Bildinhalte missverstanden oder unbewusst aufgenommen und falsch gewertet werden.

So wird eine abgelichtete Person in den Hardnews der Massenmedien durch die subtile Gestaltung des Helldunkelkontrastes zu einem Täter eines Kriminaldeliktes oder ein Politiker, der in Vogelperspektive aufgenommen wurde, als inkompetent wahrgenommen. Fehlt es dem Bildrezipienten nun an Fertigkeiten, die Bildinformation korrekt aufzunehmen und zu werten, wird dieser gewollt oder ungewollt vom Bildproduzenten gesteuert, was auch ohne Täuschungsabsicht des Bildproduzenten fatal wäre. 

Hier lässt sich nur durch die breite Vermittlung von Bildkompetenz und einem kritischen Bildzugang gegensteuern.