Dieser Beitrag fasst kurz die Geschichte der Piktogramme zusammen. Angesprochen werden historische, soziale und gestalterische Aspekte.

 

   
   
Verständliche und weniger gelungene Piktogramme. Kannst du alle dekodieren? Wie könnten diese Piktogramme irrtümlicherweise auch verstanden werden? (weitere Beispiele und Hinweise zu den Urheberrechten)

 

Vorgeschichte

Ein Piktogramm (von lat.: pictum = gemalt, Bild; griech.: gráphein = schreiben) ist ein Bildzeichen, das Information durch vereinfachte grafische Darstellung vermittelt. Sender können mit einem Piktogramm Informationen visuell zugänglich kodieren, sodass Empfänger die Botschaft einfach und schnell dekodieren und verstehen können. Piktogramme kennt man heute vor allem aus dem Strassenverkehr und von anderen Leitsystemen. Denn hier müssen Informationen fehlerlos und rasch vermittelt werden. Als Vorläufer der heutigen, modernen Piktogramme können frühe Schriftsysteme wie z.B. altägyptische Hieroglyphen oder chinesische Schriftzeichen verstanden werden. Auch Zunftzeichen, Wirtschaftsschilder und die Heraldik, also die Wappenlehre mit oftmals präzisen Regeln zur Gestaltung (Wappenkunst) und Rezeption (Wappenkunde, Lesen der Wappen), gelten unter anderem als Wegbereiter für die heutigen Piktogramme.

Das Piktogramm: eine medienästhetische Erneuerung

Doch erst Anfangs des 20. Jahrhunderts gab es Bestrebungen zur Entwicklung von Piktogrammen, wie wir sie heute verstehen. Einen grossen Beitrag leisteten diesbezüglich der Wiener Sozialphilosoph Otto Neurath zusammen mit dem Grafiker Gerd Arntz. Sie entwickelten ca. ab 1925 die internationale Bildersprache und wissenschaftliche Informationsgrafik ISOTYPE (International System of Typographic Picture Education).

Neurath und Arntz strebten mit ihrer ISOTYPE den rationalen und konsistenten Einsatz von Bildzeichen an. Sie setzten mit ihrer "Wiener Methode" unter anderem auf eine klare Farbsymbolik und eine hohe Gegenständlichkeit trotz räumlich reduzierter Darstellung z.B. durch "Scherenschnittformen" oder isometrische Darstellungen. Sie wollten unter anderem keinen symbolischen Gegenstandsgehalt, keine Raumillusion, keine kreative Ausschmückung, weder Überfeinerung noch sonst irgendwelche Willkür im Bildzeichen. Sie wollten keine Illustration im engeren Sinne sondern Wissen vermitteln.

Der soziale Hintergrund

Dies hat einen sozialen und sozialpolitischen Hintergrund. Neurath: „Der gewöhnliche Bürger sollte in der Lage sein, uneingeschränkt Informationen über alle Gegenstände zu erhalten, die ihn interessieren, wie er geographisches Wissen von Karten und Atlanten erhalten kann". ISOTYPE sollte „Wissen durch visuelle Mittel weitestmöglich mitzuteilen und dadurch die Kluft zwischen Völkern und Sprachgruppen verringern zu helfen". ISOTYPE war demnach ein Instrument zur  "Humanisierung des Wissen", sprich zur Demokratisierung von Wissen.

Weitere Eckpunkte bis heute

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden die Piktogramme durch neu ausgebaute Flughäfen oder Grossanlässe wie die Olympischen Spiele immer wieder weiter entwickelt und revolutioniert. So entwickelte z.B. der detusche Designer Otl Aicher das einflussreiche, geometrische Piktogramm-System für die Münchner Olympiade von 1972, das in formalästhetischer Hinsicht zum Quasi-Standard avancierte. (Siehe zum Thema Olympiade weiter z.B. die etwas subjektiv eingefärbte Geschichte der Piktogramme an den Olympischen Spielen vom Designer Steven Heller auf Youtube für die NY Times)

Im heutigen Zeitalter der Internationalisierung und Globalisierung sind Piktogramme für Leitsysteme, Produktkennzeichnungen und anderer weitläufiger Kommunikation unverzichtbar. Viele Piktogramme werden noch heute neu erfunden, andere hingegen sind bereits standardisiert. Die internationale Organisation für Standardisierung (ISO) versucht sogar nicht interkulturell verständliche Piktogramme zu reduzieren.

Piktogramme befinden sich heute als Selbstverständlichkeit im Alltag eines Jeden und einer Jeden unserer globalisierten Welt. Piktogramme kommunizieren schnell, sprachübergreifend und haben das geschafft, was mit  internationalen Plansprachen wie die Esperanto bis heute nicht gelungen ist. Mittlerweilen beschäftigt sich auch die Bildende Kunst mit Piktogrammen, wie es z.B. bei Pippo Lionni zu sehen ist.